So eine Zugfahrt ist bekanntermaßen
immer ein Erlebnis. Die aufregende Architektur an der Strecke, die man
bei Fahrten mit der Regionalbahn in aller Schönheit genießen kann. Hinzu
kommen die unterschiedlichsten Überraschungen der Deutschen Bahn. Doch
auch die Fahrgäste können für Unterhaltung sorgen.
Idyllische Impressionen am Wegesrand |
Heute, so glaube ich, habe ich einen
Volltreffer gelandet. Bei der Platzwahl entscheide ich, so wie meist in
meinem Leben, nicht in erster Linie strategisch, sondern eher spontan,
so aus'm Bauch raus. Und heute landete ich mit zielsicherer Genauigkeit
vermutlich im lautesten Abteil des ganzen Zuges. Hinter mir saß eine
Horde Kleinkinder, irgendwo schrie ein Baby wie am Spieß und vor mir
platzierten sich zwei Herren, deren Äußeres nichts Gutes verhieß. Also
machen wir mal die Klischeekiste auf und freuen uns an unserer
Oberflächlichkeit. Die beiden Herren trugen neben Ohrringen, auch eine
Bierfahne vor sich her und waren zudem noch unrasiert. Außerdem umwölkte
sie der zarte Duft kalten Zigaretterauches. Nachdem sie sich setzten,
klapperte der eine schon auffällig mit Glasflaschen und öffnete ein
Bier, so kurz nach'm Mittag gegen eins. Nunja, für einen Frühschoppen
war es zwar jetzt schon zu spät, wenn wir ehrlich sind, aber warum
nicht. Die beiden Herren tauschten fröhliche Sprüche aus, über die Kühe
auf einer vorbeiziehenden Weide und diskutierten nun darüber, ob das
denn nun die Glücklichen seien. Oder über eine Solaranlage, die der eine
beherzt Solarium nannte und der andere darauf entgegnete, dass er sich
da ja mal gerne runterlegen könne, um auf die Wirkung zu warten.
Doch dann fragte der eine, mit der
räudigen Mütze auf'm Kopf, welche Farbe denn das neue Shirt hätte.
"Khaki" lautete die Antwort. Ich sah vor mir eine kleine Wolke mit
dicken Fragezeichen über der Mütze aufsteigen. "Gagi?" Spätestens jetzt
war es für mich eindeutig, dass die beiden Herren aus Sachsen stammten.
"Nee, Khaki!" - ??? "Gagi" - "Naja, manchmal haben Farben eben komische
Namen." versuchte der Andere zu beschwichtigen. "Mh, aber das Hemd, was
du anhast, ist doch lila!", konterte der Mann mit der Mütze mit gewisser
Überlegenheit in der Stimme. "Ne, das ist aubergine." Die Stimme des
Mannes ohne Mütze klang ein wenig danach als würde er sich ob seines
Expertenwissens tatsächlich schämen. Die Wolke mit den Fragezeichen über
der Mütze wurde immer größer und ich glaube, sie leuchtete auch schon
ein wenig, vielleicht in dezentem Warnrot. "Was? Ein Ober mit einer
Schiene?" - "Ne, ne! Wie die Frucht, die aussieht, wie 'ne Gurke. Eine
Aubergine!" - "So, so. Und oberschiene soll also eine Farbe sein..." -
"Ich hab mir das doch nicht ausgedacht!" Es klang beinah wie eine
Entschuldigung. Schade war nur, dass die Beiden genau jetzt aussteigen
mussten. Dabei hätte ich doch so gern noch mehr über Trendfarben, wie
mauve, sand oder cappucino gelernt.
Die Horde Kinder war nun auch schon
raus, kein Baby brüllte mehr und plötzlich war es wieder ganz ruhig im
Zug. So hatte ich wieder mehr Muse, um die zauberhafte Architektur der
alten Bahnhöfe und die ausgesprochen kreativen Graffiti zu genießen.
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