Mittwoch, 8. August 2012

Heimweh

Für mich war der dritte Schultag nicht sonderlich aufregend, außer ein paar mir wirklich zu private Einblicke in das Liebesleben der Schüler. Da halte ich mir lieber die Ohren zu, denn too-much-Information und schlimme Bilder im Kopf. Außerdem wunderten sich die mittlerweile nicht mehr so neue Frau Neumann und ich uns nur darüber, dass wir so viel Zeit brauchen, um zu entspannen und wirklich im Urlaub anzukommen, aber im Gegensatz dazu schon nach zwei Tagen wieder voll im Alltagstrott stehen.

Doch Herr Schiller berichtete aus seinem Unterricht die herzerweichende Begebenheit eines Siebtklässlers. Er begann den Unterricht mit den üblichen Ausführungen seiner Anforderungen und Unterrichtsgestaltung, die am Anfang mit gewichtiger Miene gerade bei den Neuen durchgeführt werden. Die Alten wissen ja dann schon, dass dann doch nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. 
Nach wenigen Minuten begann es in der zweiten Reihe gar jämmerlich zu schluchzen. Herr Schiller erblickte einen kleinen, blonden Jungen, dem die Tränchen ungehemmt aus seinen Kulleräugchen nur so über seine Wangen rannen. Ernsthaft besorgt blickte Herr Schiller den Kleinen an und fragte, ob denn alles in Ordnung sei. (Was für eine Frage, der Junge heulte gerade! Natürlich war nicht alles in Ordnung!) So lächelte Herr Schiller den Jungen an und bat ihn erstmal kurz rauszugehen. Einen kleinen Moment später folgte er, um in Erfahrung zu bringen, warum denn der Neue so mordsjämmerlich schluchzte. Mit roten Augen erklärte unser kleiner, neuer Schützling, dass er ganz schlimm Heimweh hätte. Das verschlug Herrn Schiller ein wenig die Sprache, denn mit so einer Antwort hatte er schließlich gar nicht gerechnet. Herr Schiller versuchte ihn zu ermuntern, indem er mit kumpelhaftem Ton erklärte: "Aber wir sind doch hier nicht im Ferienlager..." Der Kleine hatte mittlerweile seine Tränen getrocknet, schaute Herrn Schiller fragend an und legte den Kopf schief. Dann purzelte nur ein langes "Hä" aus seinem Mund. Nach einer kleinen Pause sagte er dann noch: "Aber ich hab doch hier noch gar keine Freunde gefunden." - "Aber du bist doch erst den dritten Tag hier. Das wird schon noch!", tröstete Herr Schiller.

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