Freitag, 18. Mai 2012

Der Junge mit dem Fahrrad

Voller tiefer Emotionen und bewegt verließ ich gestern das Kino. Ich hatte schon ein wenig darauf gehofft,dass der Film, den ich mir spontan aus dem örtlichen Kinoprogramm fischte, nur ein klitzekleinwenig leichtere Kost ist. Doch das Gegenteil war Fall. Dieser französische Film (OT: Le gamin au vélo) liegt mir immer noch schwer auf der Seele.
Doch bei genauerer Betrachtung der Geschichte ist dies auch nicht verwunderlich. Kritiker würden mir vielleicht entgegen, dass ich mich mal hätte vorher besser informiert sollen. Dann wär mir das alles nicht passiert. Richtig! Doch wo kämen wir denn hin, wenn wir immer gleich alles erstmal googlen, einen oberflächlichen Blick auf ein Filmchen oder ein paar Beurteilungen werfen und uns immer auf die Meinung anderer verlassen würden. Hin und wieder sollte man sich doch ein eigenes Bild machen, das eigene Gehirn verwenden und sich eine eigene Meinung bilden.


Das machte ich dann also. Die Hauptpersonen sind ein einsamer und zorniger Junge namens Cyrill, der Junge mit dem Fahrrad, und einer starken, liebenswerten Friseurin, Samantha. Cyrill, vielleicht 13 Jahre alt, ist erst auf der Suche nach seinem Vater, der ihn abweist, weil der Junge so irgendwie nicht in sein Leben passt und im nächsten Atemzug hängt sich Cyrill direkt an die nächste vermeintliche, männliche Bezugsperson, einem Jugendlichen, der ihn mit Playstation und coolen Sprüchen ködert. Man ahnt schon nichts Gutes, wenn Cyrill bei diesem schleimigen Typen auf der Couch sitzt. Einer dieser Typen, vor denen man immer gewarnt wird, weil in den Geschichten, die im Umlauf sind, nicht nur EIN Körnchen Wahrheit steckt. Doch auch von ihm wird Cyrill enttäuscht. Die einzige Konstante bleibt Samantha. Das klingt schon irgendwie nach Happy End, fühlt sich am Ende des Filmes gar nicht danach an. Denn der Schluss des Filmes bleibt offen und ließ mich ein wenig irritiert zurück. Eine Kinobesucherin raunte mir beim Rausgehen noch zu: "Opfer-Täter". Ja, genau! Dieser Film ist so schlicht, doch er erzeugt eine unglaubliche Vielschichtigkeit, die mich einfach nicht loslässt und mich zum Grübeln bringt. Es geht um Zuversicht, Hoffnung und pure Menschlichkeit, aber auch um Wut, Enttäuschung und absolute Verzweiflung.
Also wer einen kuscheligen, entspannten und lustigen Filmabend möchte, auf gar keinen Fall nachdenken möchte und unter keinen Umständen auch nur in irgendeiner Weise sein Gehirn belästigen möchte, ist hier falsch. Aber wer auf leise Filme mit großen Gefühlen und starker Wirkung steht, der muss diesen Film gesehen haben. Das bringt mich zum Schluss zum einen zu der Einsicht, dass es doch gar nicht so schlimm war, dass der Film dann doch nicht so leichte Kost war, sondern eher im Gegenteil. Zum anderen erwies es sich für mich mal wieder als großer Vorteil, dass ich mich eben vorher nicht informiert habe, denn sonst wäre mich doch tatsächlich ein wunderbarer Film entgangen.

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