Zum gestrigen Tag muss ich eben noch einen kleinen nachträglichen Eintrag tätigen, denn gestern war ich einfach nur unfassbar platt, platter wie 'ne Flunder. So acht Stunden am Stück und gefühlt ohne Pause... Mann, mann, mann, da konnt ich wirklich nicht mehr denken.
Der Tag begann frostig und mit Schnee. Noch keine Katastrophe, aber nicht wirklich schön. Am Dienstort angekommen, fiel mir eine größere Traube Schüler vor dem Schaukasten auf. Ich ahnte schon meine persönliche Katastrophe. Denn Menschenmassen vor dem Schaukasten heißt, dass es einen Vertretungsplan gibt und für mich konnte das nichts Gutes heißen, denn eigentlich hätte ich zwei Freistunden. Eigentlich. Laut Katastrophen-, ähm Vertretungsplan begann ein langer Tag für mich also mit Vertretungsunterricht. Da ich ja nun mittlerweile eine erfahrene und gestandene Pädagogin bin, stand ich dennoch kurz vor einem Nervenzusammenbruch, weil ich die Zeit doch brauchte, um meine lange to-do-Liste abzuarbeiten und den auf ein stattliches Maß angewachsenen Berg Test zu korrigieren.
Ich stand vor den Achten und bevor ich überhaupt wusste, was ich mit den Kindern machen sollte, bewegte sich mein Mund und ich wunderte mich, was da raus kam, denn ich fragte: "Geh'n wir raus und bauen einen Schneemann?" Die Begeisterung, die mir dann entgegen schlug überraschte mich. Also Jacke an und Mütze auf und raus in den Schnee. Das stattliche Ergebnis von etwa 30 Minuten harter Arbeit im Schnee sah dann unter anderem so aus.
Schneeballschlacht und Schneemann bau'n |
Dann kämpfte ich mich durch die ersten beiden regulären Stunden. Nach diesen zwei Stunden hatte ich das Gefühl, ich müsste ganz dringend nach Hause ins Bett, aber vorher noch eine ausgiebige Menge Alkohol bestenfalls sehr hochprozentig und direkt intravenös. Als dann die Neunte in meinen Raum trat, war ich abermals kurz vor einem Nervenzusammenbruch und ich glaube, mein linkes Auge zuckte schwer unkoordiniert und ich hatte auch schon einen leichten Würgereflex, der sich allerdings im Laufe des Tages noch verstärken sollte. Vermutlich pflegte ich dazu auch noch eine äußerst blasse und mutmaßlich leicht grünliche Gesichtsfarbe. Anna sah mich ganz mitleidig mit großen Knopfaugen an. "Oooch, Frau Dinges, Sie sehen so ausgelaugt aus. Geht es Ihnen nicht gut?" Mein Kopf knallte auf die Tischplatte, es tat sogar ein bisschen weh, denn mir wurde soeben aufs Dramatischste bewusst, dass das jetzt erst meine reguläre dritte Stunde ist und ich noch vier Stunden vor mir hatte. Ich richtete mich auf, stellte mich vor die Klasse und versuchte irgendwie wieder Haltung anzunehmen, wohl eher schlecht als recht. Als ich das Begrüßungszeremoniell, also mit Aufstehen und so Gedöns, halbwegs würdevoll hinter mich gebracht hatte, zwinkerte Mario mir zu. Für einen winzigen Augenblick fühlte ich mich ganz anders, denn der Junge schaute mich eben nicht so an als sei ich nur seine Lehrerin. Möglicherweise lag das aber auch nur daran, dass Mario einen ganz leichten Silberblick hat. Dennoch war das eindeutig zweideutig. "Frau Dingens, Sie wirken so ausgelutscht..." Dann setzte er noch eine anzügliche Bemerkung nach und ich glaube, ich antwortete irgendwas mit "wenn du in der Zehnten deinen Abschluss gemacht hast, dann können wir darüber nochmal reden." Manchmal vergesse ich doch fast, dass ich pubertäre Schüler vor mir habe.
Genauso erging es mir dann mit einem unserer zahlreichen Mäxe (Ich muss daran denken, den lieben Herrn Schiller zu fragen, ob es einen Plural von Max gibt.) Nach einer gefühlten Drei-Minuten-Pause musste ich wieder in den Unterricht, aber Max versperrte mir den Weg. "Sie kommen hier nicht vorbei. Erst eine Umarmung!" Eine meiner einfachsten Übungen ist es mittlerweile Schüler zu umarmen. Am Anfang war das undenkbar. Schließlich hielt ich das für absolut unprofessionell und außerdem muss doch auch immer eine gewisse Distanz zwischen Schüler und Lehrer gewahrt bleiben. Doch heut seh ich das anders, grundsätzlich entspannter. So legte ich meine Arme um Max, meine Hände legten sich auf seinen Rücken und drückte ihn fest an mich. Er trat zur Seite und sagte nur noch "manno, jetzt hab ich 'n Steifen." In der nächsten Stunde saß er in meinem Fachraum, auf meinem Stuhl. Er grinste frech. "Wenn Sie sich setzen wollen, dann müssen Sie sich schon auf meinen Schoß setzten." Ich hätte kein Problem gehabt, das zu tun, aber Max im Gegensatz zu mir schon. Blitzschnell sprang er auf, schüttelte den Kopf und brummelte: "Och, ne, lieber doch nicht, sonst krieg ich wieder 'n Steifen!" - Komisch, passt irgendwie zu Marios Kommentar von wegen ausgelutscht und so...
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