Nachdem ich gestern einen Tag krankheitsbedingt ausfiel, wurde ich heut mit besonders lieben Worten meiner Schüler begrüßt: "Och, Frau Dingens, Sie sind ja wieder da. Sie hätten ruhig länger krank sein können. So mindestens bis morgen..." Ich liebe diese Sätze, die so völlig unvermittelt und ohne jede Einleitung beginnen, von einem "Guten Morgen" ganz zu schweigen. Aber ähnlich heiter ging dieser Tag auch weiter.
Bei der Mittagsaufsicht kümmerte ich mich mal wieder darum, dass die lieben Kleinen auch brav ihren Tisch abwischen. Das verläuft meist völlig problemlos. Doch heute hatte ich es mit einem mittelschweren Fall zu tun. Einen schweren Fall von Tischwischverweigerung hatte ich hier schon mal beschrieben. Heute weigerte sich Reiner geradezu boshaft meiner Aufforderung den Tisch abzuwischen. Gute Gründe hatte er natürlich allemal. Das tangierte mich aber eher peripher, da er eben einfach dran war. Ich hasse diese Momente, denn in Ermangelung eines Druckmittels wie schlechte Noten oder die Androhung von Schlägen musste ich mir etwas anderes einfallen lassen und zwar schnell, denn Reiner zog mit einem fiesen Grinsen im Gesicht ab. Also hieß das Motto: "Blamieren oder kassieren!" Und ich entschied mich für blamieren und zwar Reiner auf dem versammelten Schulhof blamieren. Ich brüllte quer über den Schulhof, der zur großen Mittagspause natürlich gut gefüllt war. "Reiner ist so ein Mädchen, der will den Tisch nicht abwischen."
Zwei Mädchen, die neben mir standen, hatten vor lauter Lachen eine gesunde rote Gesichtsfarbe und schon fast Tränen in den Augen. Offensichtlich hatte ich so ganz spontan genau den richtigen Ton getroffen. Diese Reaktion spornte mich an und ich hatte schon zahlreiche andere Kommentare in meinem Kopf herumschwirren, die ich aber leider nicht mehr nutzen konnte, denn Reiner stand plötzlich vor mir, mit gesengten Kopf und geradezu reumütig entgegnete er mir: "Ja, schon gut. Ich wisch ja schon ab. Aber bitte hören Sie jetzt auf!" Dabei hatte mir grad noch Franz zugeflüstert, dass Reiner auf Lynn steht und wenn ich das rufen würde, ... Aber wie gesagt, Reiner wischte ja jetzt brav den Tisch ab.
Nach der Pause berichtete mir der aufsichtsführende Kollege, dass einige Schüler fragten, ob ich denn so etwas dürfe. Mit großer Diplomatie kommentierte Herr Dellas den Fall folgendermaßen: "Ja, natürlich, die Frau Dingens darf alles... - Solange es nicht ehrverletzend ist, " schob er im Weggehen noch nach. Nur um juristisch auf der sicheren Seite zu sein...
Zum Ende des Schultages lernte ich noch von einer meiner Lieblingszehnten, dass die besonderen drei Worte nicht "Ich liebe dich!" sind, sondern "Fick mich, bitte!"
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