Nach Weihnachten hätte ich noch eine kleine vorweihnachtliche Geschichte. Ich dachte mir einfach mal die Technik für ein paar Tage ruhen zu lassen und siehe da, welch Wunder, ich konnte tatsächlich auch mal ohne Internet.
Kurz vor Weihnachten dachte ich mir, ich könnte mir ein kleines vorweihnachtliches Geschenk machen und fahre ICE. Normalerweise bin ich zu sparsam (böse Zungen würden behaupten zu geizig) für den Zuschlag, aber wie heißt es so schön, Moment, ich schlag mal kurz nach...: ICE fahren ist nicht nur schnell und besonders komfortabel was die ergonomisch und körpergerecht geformten Sitzplätze angeht, sondern auch noch mit anderen zahlreichen Vorteilen verbunden. Ja, das hab ich gemerkt!
Komischerweise unter dem Motto: The same procedere as every year. So kurz vor Weihnachten ist schließlich absolut nicht damit zu rechnen, dass sich die Anzahl der Fahrgäste an den Tagen vor Weihnachten vervielfacht. Wie immer eine äußerst schwache Kür für ein Dienstleistungsunternehmen, das gern für seinen guten Service vor allem in seinen Fernverkehrszügen wirbt. Also, ich dachte ich gönne mir mal was und ich zahle den Zuschlag für den ICE. Letztendlich nicht nur eine Frechheit, sondern auch völlig überflüssig, da der Zug so voll war, dass gar kein Schaffner, ach ne das heißt ja heute Zugbegleiter, durchkommen konnte. Schieben, Dränglen und das wirklich schwierige Unterfangen sich irgendwo in ein Plätzchen zu quetschen, wo man wenigstens halbwegs gut stehen kann. Bei diesem Versuch hatte ich auch schon einen Rucksack im Kreuz und dachte so bei mir, dass es doch wirklich ausgesprochen angenehm wäre, wenn der Herr den Rucksack abnehmen würde. (So anspruchslos wird man plötzlich in einem der Vorzeigezüge der Deutschen Bahn, die für Bequemlichkeit stehen.) Allerdings hatte ich nicht bedacht, dass sich genau dieses Unternehmen als schwieriges Unterfangen erweist, wenn sich zahllose Fahrgäste um einen herum drängen. Nun denn, irgendwann hat es der Herr dann geschafft und es wurde, nun ja, stehenderweise irgendwie angenehm.
Um mich herum standen unzählige Fahrgäste, keiner murrte. Warum sollten sie auch, denn schließlich hatte sie ja auch einen Platz in diesem überfüllten ICE bekommen und was soll ich sagen, dieser Zug hatte zudem auch noch keine einzige Minute Verspätung, was ja bekanntermaßen nicht selbstverständlich ist. All diese eng gedrängten Fahrgäste standen nun mit ihren teuren Telefonen in der Hand um mich herum und spielten, hörten Musik, checkten E-Mails oder kommunizierten über facebook. Da stand ich nun mit meinem zwei Jahre alten, doch auch schon mit Touchscreen versehenen Telefon, das auch Internet und mp3 kann, aber weitaus weniger luxuriös und modern daher kam, wie all die anderen highend Smartphones um mich herum. Ich fühlte mich ein wenig mies und dachte so bei mir, dass ich mir wohl besser ein neues Telefon hätte vom Weihnachtsmann wünschen sollen.
Eine junge Frau neben mir telefonierte ungeniert und es störte auch offensichtlich sonst keinen, dass sie gerade ihre Weihnachtsfeiertage managte. "Na klar bin ich morgen bei meinen Eltern, aber heut schau ich noch bei Paul und Anna auf ein paar Glühwein vorbei. Am ersten Feiertag bin ich dann bei Chris, das ist ja wohl logisch oder was hattest du denn gedacht...!" Ich drehte meine Musik lauter, denn es geht mir wirklich schwer auf die Nerven, wenn Andere ihre Privatangelegenheiten so in aller Offentlichkeit ausdiskutieren. Da soll mir mal noch einer mit Datenschutz kommen! Plötzlich schob sich ein junger Vater mit seinem kleinen Sohn durch die Menge. Der kleine Wonneknubbel krallte sich mit aller Macht an seinem Papa fest. Sein Köpfchen rotierte wie ein Kreisel und die Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich hoffte, dass die Beiden bald aus dem überfüllten ICE aussteigen konnten oder einen entspannten Sitzplatz finden.
Ich war froh, dass ich schon nach einer halben Stunde Luxusfahrt im zuschlagspflichtigen ICE aussteigen konnte. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass es eine Frechheit ist, für so eine Fahrt Zuschlag zahlen zu müssen? Auf jeden Fall stieg ich nun in eine Regionalbahn, in der es auch kuschlig (also gut gefüllt), aber nicht ganz so kuschlig war, wie in dem überfüllten ICE. (nur zur Erinnerung für eine halbe Stunde stehen musste ich Zuschlag zahlen!!!) Die Fahrgäste strömten ein und die Koffer, Taschen, Rucksäcke und Geschenke wurden gestapelt. Es erinnerte mich ein wenig an Tetris. Als ich den Zug betrat, fand ich noch ein nettes Plätzchen. Naja, es war wenigstens ein Sitzplatz und links und rechts neben mir war noch Luft. Mir war klar, dass dieser Luxus nicht lange bleibt. Die Reihen füllten sich. Es wurde eng, man kam sich näher, ob man wollte oder nicht. Der Zug fuhr an und aus den Lautsprechern tönten die klaren Worte in feinstem Sächsisch: "Wir begrüßen Sie im Regionalexpress 1234 und wir wünschen Ihnen eine angenehme Fahrt mit der Deutschen Bahn." Ich wusste nicht so recht, ob der Herr das wirklich ernst meinte. Für mich hatte das eher was von Realsatire. Naja, auf jeden Fall musste ich für diese Fahrt und diesen Sitzplatz keinen Zuschlag zahlen!
Der junge Mann links neben mir schielte mir aufs Display meines Telefons. Ich kam nicht umhin die Unterhaltung der jungen Frau rechts neben mir mit ihrem Begleiter zu lauschen. Manchmal lunschte ich in ihr Buch mit dem verheißungsvollen Titel "Kann Kapitalismus moralisch sein?" Ob diese Frage rhetorisch gemeint war? Irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt Schulter an Schulter mit der jungen Studentin zu sitzen. Manchmal lächelten wir uns verständnisvoll an. Dann packte sie ihr Telefon aus. Es war ein vielleicht zehn Jahre altes Klapphandy, noch so mit Tasten! Das Gerät war zwar klein, aber wirkte sehr klobig und total unstylisch. Und plötzlich fühlte ich mich mit meinem Telefon wieder als Gewinner, auf der Überholspur... ätsch, ich hab schon eins mit Touchscreen! Der Tag war gerettet. Und die Moral von der Geschichte? Alles mal wieder eine Frage der Perspektive!
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