Heut konnte ich mich gar nicht so recht entscheiden, wohin mit meinen Gefühlen, denn schon in der ersten Stunde hatte ich Vertretung für Chefin in meiner Siebten zu schieben. Das war ja eigentlich nicht so schlimm, da ich sowieso der Meinung bin, dass ich die Mädels und Jungs meiner Siebten zu selten sehe. Zumal da in letzter Zeit so unfassbar viel passiert. Einerseits benehmen die sich seit einiger Zeit wie eine wildgewordene Horde pubertärer Affen im Zoo. Andererseits gibt es ständig Tränen bei den Mädchen, zuletzt erst bei Julia, denn das mit der großen Liebe und ihrem Romeo ist schon wieder vorbei. Dafür beißt sich jetzt Lisa mit Marcel aus der Neunten auf dem Gang rum. Nicht zu vergessen, dass das Kollegium schon arge Befürchtungen hegt, dass unsere Supertussi Vanessa von ihrem Superschnuckel Mario eben mal schnell zwischen den Stunden in der großen Mittagspause geschwängert wird. (naja vielleicht reicht sogar die 15 minütige Frühstückspause) Vor einigen Tagen musste ich die beiden Turteltäubchen geradezu auseinander brüllen. Da kam mir dieses ungezogene Gör auch noch frech und fragte mich, ob ich denn eifersüchtig sei. Worauf ich die Augen verdrehte und bemerkte, dass ich selbstverständlich eifersüchtig sei, weil ich in meinem ganzen Leben noch nie mit einem Achtklässler in der Schule auf'm Gang geknutscht hätte. Allerdings muss ich befürchten, dass die Nessi diese doch schon über die feine Ironie hinausgehende Retourkutsche nicht verstanden hat, so wie der Großteil meiner Schüler, die solche Antworten grundsätzlich für bare Münze nehmen und mir entgeistert entgegnen: "Echt???"
Doch zurück zu meiner Siebten, die so unsäglich abgebaut hat. Aber eigentlich habe ich jetzt keine Lust mich darüber aufzuregen und mich nochmal darüber zu ärgern, wie sich meine Lieben gegenseitig beleidigen, mobben und dissen. Bei dem heutigen wirklich ernsthaften Gespräch gab es zahlreiche Tränen und ich gehe davon aus, ich hoffe - nein - ich bete, dass sie wirklich verstanden haben, was sie sich gegenseitig antun und die hoch und heilig gelobte Besserung länger als nur drei Tage vorhält.
Aber dafür hatte ich heut noch eine wirklich merkwürdige Frage zu beantworten. Als ich ins Klassenzimmer meiner Lieblings-Neunten trat, fiel Max gleich auf, dass meine Haare kürzer sind. Am Ende der Stunde trat Max auf mich zu und fragte mich, ob er mal meine Haare anfassen dürfte. Ich war etwas irritiert, aber antwortete schnell, klar, fast reflexartig: "Nein!" Max sagte nur: "Och, schade...", drehte sich um und verschwand aus der Tür.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen