Dienstag, 19. März 2013

Erika, ich warte an der Messe

Zum dritten Mal ging es für mich am Samstag mit der Deutschen Bahn nach Leipzig zur Buchmesse. Wie ich bereits schon des Öfteren berichtet habe, ist so eine Zugfahrt immer unglaublich unterhaltsam, ob nun positiv oder negativ. Und normalerweise schimpfe ich gern und häufig auf die sogenannte Jugend von heute, die mitten im Zug zwischen all den Fahrgästen völlig hemmungslos und ungeniert am Händy lautstark all ihre persönlichen Probleme auswerten. Klassischerweise beginnt ja so ein Gespräch mit der Frage "Wo bist du grad?" - "Mh, ich sitze im Zug." Dann plätschert die meist unfassbar belanglose wie überflüssige Plauderei so dahin und die jungen Leute kommen auch nicht mal im Entferntesten auf die Idee sich zurückzunehmen. Sie sitzen nun mal eben grad nicht allein zu Hause auf der Couch, sondern im Öffentlichen Personennahverkehr, der wie der Name schon sagt, der Öffentlichkeit uneingeschränkt, soweit der entsprechende Entgelt getätigt wurde, zugänglich ist und damit noch etliche wildfremde Leute um sie herum sitzen und diese mit ihren Geschichten langweilen / nerven / belästigen.
Doch diesmal war es anders. Inhaltlich zwar ähnlich, aber die Akteurin war kein pubertierender Teenie, sondern eine ältere, elegante Dame im Nadelstreifenkostümchen, die direkt vor mir Platz nahm. Ich fand sie wirklich chic mit ihrem kurzen, schwingenden Bob, der zwar schon grau, aber wirklich frisch, geradezu frech wirkte. Sie trug eine Brille im eleganten 50er-Jahre-Stil und kleine silberne Ohrstecker. Also alles in allem eine Dame von Welt von der man gutes Benehmen und Zurückhaltung erwartete.
So meinte ich zumindest. Bis sie ein kleines Telefon aus ihrer Tasche zog und vorerst etwas unentschlossen darauf herum tippte. Dann legte sie sich das Gerät ans Ohr und begann in einer Lautstärke ihr Gegenüber zu begrüßen, das dem ganzen Abteil wahre Freude bescherte. Nun im Nachhinein denke ich bei mir, dass die Fahrgäste bei einem Teenager sicherlich nicht solche Rücksicht genommen hätten, sondern direkt über die Jugend von heute geschimpft hätte. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich einen solch lautstark telefonierenden Teenie angezischt hätte und gefragt hätte, ob er / sie noch nicht gemerkt hätte, dass er / sie nicht allein hier ist.

Nun vernahm ich die Feststellung "Erika, ich warte an der Messe." Offensichtlich hatte Erika etwas dagegen, denn die Dame rechtfertigte sich, dass sie doch nur ein kleine Tasche haben würde und diese ja auch problemlos an der Garderobe abgeben könne. So beharrte sie darauf und wiederholte mit lauter klarer Stimme: "Erika, ich warte an der Messe." Nach einigem Hin und Her, denn Erika war offenbar schon sehr verärgert darüber, dass die Dame im Kostümchen auf ihre Vorgehensweise beharrte, war das Gespräch beendet. Ich hoffte, die Sache sei geklärt.
Doch irgendwie breitete sich Unbehagen aus. Vielleicht hatte ja Erika recht und es ist tatsächlich keine gute Idee mit der Tasche zur Messe gehen, auch wenn sie noch so klein sei und eben auch an der Garderobe abgegeben werden könne. Unentschlossen und auch ein wenig hektisch tippte die Dame auf ihrem Händy rum. Nach einigen Minuten des Zögerns nahm sie nochmal das Telefon ans Ohr. "Wer spricht da? Klaus?" Sie lachte leicht nervös, wohl auch etwas peinlich berührt. Schließlich wusste sie doch, wer da am Telefon war. "Natürlich Klaus!" Sie strich sich mit der anderen Hand eine Strähne aus dem Gesicht. "Ich komm zum Hauptbahnhof und schließe meine Tasche dort ein. Dann komm ich mit der Taxe zum Hotel." Nun wussten alle Fahrgäste, dass Erika gewonnen hatte. Aber wer meint, dass die Dame nun endlich ihr Telefon wegpackt, der irrt. Sie wiederholt noch drei Mal, dass sie mit der Taxe zum Hotel kommt. Nur zur Sicherheit, falls es Erika und das gesamte Abteil noch nicht mitbekommen hat. Endlich legt sie auf. Nachdem sie noch beschwichtigend erklärt "Erika, ich will nicht, dass ihr lange auf mich wartet. Ich komm mit der Taxe!"

Ich hoffe, dass die Dame, Erika und Klaus einen eben so schönen Tag bei der Leipziger Buchmesse erlebt haben.
Ich habe den Eindruck, dass die Dame nicht so recht mir ihrer Entscheidung zufrieden ist. Sie wiegt den Kopf, tippt noch ein wenig unmotiviert auf ihrem Telefon rum bis sie es endlich wegpackt... Endlich!

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