Donnerstag, 26. Januar 2012

Vaduz, Vaduz, Vaduz

Die meisten Schüler meiner Zehnten arbeiten ruhig und konzentriert, füllten mit den Köpfen in den Atlanten ihr Arbeitsblatt mit allen europäischen Ländern aus. Nur Karl las Zeitung, aber egal, wenigstens nervte er nicht. Plötzlich schreckten die Jungs und Mädels hoch und drehten sich um. Ich schaute in die vorletzte Reihe, wo Marios Hand noch flach auf dem Tisch lag. Vermutlich hat er mit seiner flachen Hand auf den Tisch geschlagen. Er schnaufte ein wenig, seine Nüstern blähten sich nervös und er rollte mit den Augen. Ich wartete darauf, dass er Feuer spie. Ganz vorsichtig ging ich auf ihn zu und fragte, ob ich ihm denn helfen könne. Langsam, gaaanz langsam, aber bestimmt schüttelte er den Kopf und zwischen zusammengebissenen Zähnen kämpfte sich der Name seiner Banknachbarin hervor: "Aileen! Bitte!"
Aileen lächelte unschuldig und strich sich mit der linken Hand ihre langen braunen Haare aus dem Gesicht. Ihre braunen Kulleraugen leuchteten. Mario kämpfte immer noch mit sich. "Aileen, hör bitte auf! Vaduz, Vaduz, Vaduz!" Dann lachte Aileen hell und gab ihre Erklärung dafür, warum sie immer den Namen der Hauptstadt Liechtensteins vor sich hin murmelte. "Wenn ich es vor mich hersage, dann find ich es schneller!" Mario schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Er verdrehte nochmals die Augen, blickte wie zu einem Stoßgebet gen Himmel und bekreuzigte sich dann noch ein wenig zu pathetisch.
Manche mögen seine Reaktion für völlig überzogen halten, aber all denen sei gesagt, sie kennen Aileen nicht. Ihr Freund teilte einer lieben Kollegin vor kurzem völlig unvermittelt mit, dass er ja durchaus auf Mädels stünde, die ein wenig schusselig seien, aber Aileen würde es dann doch übertreiben.
Aileen hatte nun ihren Kopf wieder in den Atlas versenkt, um weiterzusuchen. Erschrocken schaute sie nach oben, erst sah sie mich an und dann Mario. "Jetzt hab ich vergessen, was ich suche!" "Vaduz", antwortete ich vorsichtig, denn ich sah schon, dass Marios linke Augenbraue wieder nervös zu zucken begann...

Am Ende der Stunde gab es glücklicherweise keine Toten, sondern nur fröhliche Schüler, die mir schon mal schöne Ferien wünschten, falls wir uns morgen nicht mehr sehen sollten. Da trat Nico an mich heran, senkte seine Stimme in einen etwas seltsamen Tonfall, der durchaus als bemitleidend zu erkennen war und merkte noch an, dass wir Lehrer ja nun leider auch in den Ferien in die Schule kommen müssten. Ich fragte entgeistert, wie er denn darauf komme. (Nur so nebenbei möchte ich doch noch anmerken, dass das nicht so ganz falsch ist, aber wir müssen nicht in jeden Ferien auf der Matte stehen.) "Naja" begann er zu stottern, "das hat mir mal jemand erzählt, dass Sie auch in den Ferien hier sein müssen." Daniel schritt beherzt ein und konterte blitzschnell und messerscharf: "Mensch Maier, du glaubst wohl auch die Lehrer hätten sonst keine Hobbies!" Genau, dachte ich bei mir und freute mich, dass Daniel den Maier mal so richtig abgebügelt hatte.

Sonntag, 22. Januar 2012

Shopping in Berlin

Berlin ist bekanntermaßen immer für einen Ausflug gut, egal was man sucht und sollte man mal nichts suchen, dann wird man gefunden. Ich entdeckte einen Schuhladen mit den wirklich schärfsten Schuhen, die ich je gesehen hab. Mal ehrlich diese Teile, so schnöde nur als "Schuhe" zu bezeichnen, ist absolut mehr als unwürdig. Zudem braucht frau dafür nicht nur einen Waffenschein, sondern auch ein Lauftraining.

Sanctum Berlin, Sophienstraße



Und tatsächlich gibt es in Berlin wirklich alles, sogar liebevoll handgeschriebene Kassenzettel. So etwas hab ich in meinem ganzen Leben noch nie in der Hand gehabt. Berlin erstaunt und verblüfft.


Sonntag, 15. Januar 2012

Unberechenbarkeit


Die Frauen
sind so unberechenbar,
dass man sich nicht einmal
auf das Gegenteil dessen verlassen kann,
was sie sagen.



Sir Peter Alexander Baron von Ustinov
(1921 - 2004)

Samstag, 14. Januar 2012

Bazzilo oder Tag der Offenen Tür

Der Samstag gehört zu meinen Lieblingstagen, denn ich kann zunächst einmal ausschlafen und ich bin ein ganz großer Fan von lange schlafen. Ich mag ja meinen Job, aber das mit dem früh Aufstehen ist nicht so mein Fall. Doch dieser Samstag warf schon lange seine dunklen Schatten voraus. In fetten Lettern stand in meinem Kalender: Tag der Offenen Tür. Heut morgen als der Wecker klingelte, verfluchte ich diesen Tag, denn wer geht schon Samstag gern in die Schule. Ich gehöre definitiv nicht dazu. Aber man will ja ein gutes Bild bei potentiellen neuen Schülern und vor allem bei den dazugehörenden Eltern hinterlassen. Dazu wappnete ich mit einer Tafel Schokolade im Gepäck, damit ich nicht wegen Unterzuckerung noch pampig werde und der letzte Funke guter Laune vollends im Orkus versinkt.
In meinem Fachraum angekommen, stöpselte ich mir meine Musik an die Lautsprecher an und machte mich auf lange und zwar ganz besonders lange vier Stunden gefasst. Ich verteilte ein bisschen Material auf den Tischen, hängte noch ein paar Plakate auf und wischte nochmal besonders sorgfältig die Tafel. Die Schüler haben ja noch nicht mal das richtig drauf: sauberer, nasser Schwamm und Tafel von oben nach unten wischen, voll anspruchsvoll und so. Als wenn nicht schon meine Laune fast auf dem Nullpunkt angekommen wäre, schneiten jetzt auch noch ein paar Schüler herein und posaunten "Wat, gibts jetzt auch noch Musik? Ist das Ihre? Darf ich mal kucken?" - "Nein, Finger weg! Das ist mein Rechner und meine Musik!" zischte ich. Ich konnte nicht verhehlen, dass ich ein wenig schlechte Laune hatte. Mit einer entschuldigenden Geste und einem Ist-ja-schon-gut-Blick zogen die beiden Jungs wieder ab. Ein paar Eltern fragten nach Herrn Schiller. Da dachte ich noch so bei mir, wenn das so weitergeht, ziehe ich am Ende noch eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt vor, denn da ist wenigstens was los.

Freitag, 6. Januar 2012

Pas de bras, pas de chocolat

Morgen will ich ins Kino gehen und ich hab da schon vor Wochen eine gaaanz heißen Tipp aus Frankreich bekommen. Gestern lief er dann an "Les Intouchables". Das Feuilleton überschlägt sich, wenn es über diesen Film schreibt, der von schon 17 Millionen Franzosen gesehen wurde. 
Die Zeit titelt: "Lebensfreude und nichts anderes." Die FAZ schreibt hier werde "Ungleiches zart und lustig" vereint. Wie dem auch sei, ich freu mich auf richtig guten Schwarzen Humor, denn das sei ein wichtiger Grund für den Erfolg des Filmes, so die Junge Welt. Gute-Kumpel-Filme gibt es doch wie Sand am Meer. Nur der deutsche Titel sei wohl etwas unglücklich holprig: "Ziemlich gute Freunde".

Ob der ganze Film nur lustig ist, nur Tränen lacht oder ob er zu Herzen geht, also ob es sich tatsächlich lohnt, kann ich vielleicht ein anderes Mal berichten... Ich erwarte auf jeden Fall so einiges. Einfach gutes Kino mit Herz, Humor und Verstand.




ähm, achja, vielleicht sollte ich den Titel noch schnell übersetzten: "Keine Arme, keine Schokolade"

Donnerstag, 5. Januar 2012

Wulff rockt

Ich möchte hier gar nicht kommentieren, was andere schon zu tausenden, hundertausenden oder gar zu millionen getan haben und das Verhalten (ist das jetzt neutral genug?) von Herrn Wulff bewerten, beurteilen, maßregeln oder sonst irgendwas, wie z. B. hier oder hier. Und im Grunde ist das jetzt auch nicht mein Anliegen.

Aber ich hätte zur Erinnerung noch etwas Lustiges: siehe hier.

Begrüßungsrituale

Heut hab ich auch mal wieder sehr viel gelernt, denn es ist außerordentlich interessant wie sich die Schülerinnen und Schüler untereinander begrüßen. Landläufig müsste man ja meinen ein einfaches "Hallo" würde ausreichen, aber weit gefehlt, denn hier gibt es zahllose Unterschiede. Ich glaube ja sogar, dass bei den Begrüßungsritualen nicht nur die jeweilige Tagesform, sondern auch die Hackordnung unter den Schülern deutlich wird.
Es begann schon am frühen Morgen am Bus. Ein kleines Grüppchen meiner Schüler stand da schon so rum. Meist geh ich so halb an ihnen vorbei, dreh ich mich kurz zu ihnen und, sag eben "moin" und tu so als würd ich mit denen sonst soweit nix zu tun haben. Schließlich bin ich noch nicht im Dienst. Bis dann doch plötzlich einer was von mir wissen will und je nach Laune und je nach Schüler geb ich eine Antwort und murmle noch so fast im Halbschlaf mit einem zugegebenermaßen kleinen, fiesen Grinsen im Gesicht "Nö, bin noch nicht im Dienst!" Worauf mir der Schüler antwortet, dass er ja eigentlich auch noch nicht im Dienst sei. "Und genau deshalb kann ich dir jetzt auch nicht dein Telefon wegnehmen und das Kaugummikauen verbieten...", entgegnete ich.
Aber halt, ich schweife ab, denn ich wollte ja über die unterschiedlichen Art und Weisen der Begrüßung berichten. Martin und John sind eigentlich gute Freunde, so dachte ich bis heut immer, aber nach der heutigen Begrüßung glaube ich, dass bei denen dicke Luft ist. In besagtem Grüppchen stand schon Martin und John kam hinzu. Die Jungs wurden alle zünftig mit Handschlag begrüßt und die Mädels mit einer angetäuschten und ein wenig halbherzig anmutenden Umarmung. Dann wollte John auch Martin die Hand geben, doch Martin verweigerte. John zuckte die Schultern und zog ab. Einige Minuten später tauchte ein mit etwas zu viel Wasserstoffperoxid gefärbter Blondschopf namens Linda auf. Sie drückte, knuddelte und herze alle. Am Ende dieses Gruppenkuschelns legte sie den rechten Arm über meine Schulter, wobei ich den linken Arm leicht hob und ihn kurz unterhalb ihres Schulterblattes ablegte. Ganz wichtig ist bei dieser Art von Umarmung den Gegenüber nicht wirklich herzig zu drücken, denn diese würde ein Zuviel an körperlicher Nähe bedeuten und das ist von beiden Seiten nicht unbedingt erwünscht.  Das nenne ich übrigens eine kurze, angetäuschte Umarmung, die allerdings in diesem Fall nicht unbedingt als herzlos zu bezeichnen ist.
Als an der nächsten Haltestelle weitere Schüler einstiegen, wurde es erst richtig spannend, was die Hackordnung bei der Begrüßung angeht. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen. Sophie stieg ein und das was jetzt kam, glich einer bis in kleinste Detail durchinszenierten Choreographie, was doch eigentlich "nur" Begrüßung war. Sie drehte sich nach rechts und links, um all ihre Freunde mit einem kleinen Küsschen auf die Wange zu begrüßen. So weit, so üblich. Doch dann erreichte sie den hinteren Teil des Busses, wo ihre Klassenkameraden und offensichtlich besten Freunde saßen. Die ersten beiden Jungs bekamen nur ein Küßchen auf die Wange. Dann war Linda dran und die bekam sogar schon Küsschen links und Küsschen rechts. Andreas wurde schon mit einer gewagten Dreierkombination (Küsschen links-rechts-links) begrüßt. Nachdem die beiden sich angemessen angestrahlt hatten, wurde Lisa begrüßt. Sie erhielt nach der einfachen Rechts-Links-Kombination noch einen Kuss auf den Mund. Abschließend wurde noch die hinterste Reihe gedrückt und geherzt. Das Highlight war dann die Begrüßung von Leander, der schlicht direkt einen Kuss auf den Mund gedrückt bekam. Nun war Sophie endlich, so hoffte ich, mit allen Begrüßungen soweit durch. 
Doch ich hatte mich geirrt. Nach der Such nach einem freien Platz landete sie neben mir und gab mir dann mit ihrem typischen Sonnenscheinstrahlelächeln die Hand und wünschte mir einen "Guten Morgen". Ich strahlte zurück und sagte natürlich auch ganz brav "Guten Morgen". Schließlich sind so außerordentlich freundliche und höfliche Schüler selten. Wir setzten unsere Kopfhörer auf und fürs erste war der Begrüßungsmarathon zumindest für Sophie erledigt.