Donnerstag, 1. Juli 2010

Der schwarze Peter bei der Linken?

Die gestrige Wahl des Bundespräsidenten endete erwartungsgemäß. Christian Wulff ist nun "Germanys next Staatsoberhaupt". Die große Überraschung war, dass er erst im dritten Wahlgang gewählt wurde und dann sogar mit absoluter Mehrheit, welche an dieser Stelle gar nicht mehr notwendig gewesen war. Was uns die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit dem Volk, also uns, nun damit sagen wollte, ist mir nicht ganz klar. Ich tippe darauf, dass die schwarz-gelbe Koalition uns zum einen endlich mal ihre viel beschworene Geschlossenheit demonstrieren wollte, was in letzter Zeit äußerst selten vorkam und zum anderen trieb sie wohl auch die Angst. Die Angst davor, dass die LINKE den Ausschlag geben könnte und zu aller Überraschung dann doch noch geschlossen Gauck wählen könnten. Das wäre ein Desaster für Schwarz-Gelb gewesen. Also hieß es für die schwarz-gelben Wahlfrauen und Wahlmänner: husch, husch ins Körbchen, weil sicher ist sicher.
SPD und Bündnis 90 / Die Grünen sprechen von einer vergebenen, historischen Chance und schimpfen auf die LINKE. Damit hätte die LINKE mal wieder ihre Kompromissunfähigkeit bewiesen, so Oppermann, SPD. Hier hätte die LINKE doch endlich mal ihre Demokratiefähigkeit beweisen können. Ein hitziger Disput zwischen Gregor Gysi, LINKE und Werner Schulz, Bündnis90 / Die Grünen bei der Pressekonferenz der LINKEN (Video Spiegelonline) nach den Gesprächen und vor dem dem dritten Wahlgang zeigt die Konfrontationslinie deutlich.

19.40 Uhr: Schlagabtausch zwischen Gysi und Schulz
Nachtrag: Bei der kurzen Pressekonferenz von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kam es zu einem Schlagabtausch mit dem grünen Politiker Werner Schulz. Vor laufender Kamera kritisierte der DDR-Bürgerrechtler die Entscheidung, Enthaltung zu empfehlen. "Versagen der Linken" ist zu hören und: "Das wäre eure Chance gewesen, über den SED-Schatten zu springen", ruft Schulz in Richtung Gysi. Der schimpft zurück: "Die Unkultur kommt nicht von uns, sondern immer von den anderen. Hätten Sie mal früher angerufen." (Live-Ticker zur Präsidentschaftswahl der taz)


Die Linke sollte im dritten Wahlgang Gauck wählen. Doch sie tut es nicht, wie schon von Anfang an klar formuliert. Man hätte doch vorher schon mit der LINKEN Gespräche führen können;, wenn man gewollt hätte. Es wurde keine Zerreißprobe für die LINKE, denn sie hat bis zum dritten und letzten Wahlgang zu ihrer öffentlich bekannten Aussage gestanden. Wenn ein Gregor Gysi twittert:
Manchmal muss man über seinen Schatten springen, wenn wir mit Gauck Merkel stürzen können, sollten wir das tun.
So wäre es doch für die LINKE keine ernsthafte Alternative gewesen, plötzlich doch Gauck zu wählen. Denn dieser "gregorgysi" ist gar nicht der Echte, so vermeldet zumindest das ZDF (Bilder 17 und 18).

Jetzt steht der Vorwurf im Raum, dass die LINKEN durch ihre Enthaltungen  indirekt Wulff gewählt hätten. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Christian Wulff ist mit absoluter Mehrheit gewählt worden und damit ist es im Grunde egal, was die LINKE an dieser Stelle gemacht hätte. Die Frage ist doch im Grunde eine andere: Warum sollte die LINKE plötzlich einen Kandidaten wählen, den sie ablehnt. Nimmt man die LINKE nun Ernst oder nicht? Wenn SPD und Bündnis90/Die Grünen nicht in der Lage sind, Mehrheiten zu organisieren, so Gesine Lötzsch im Deutschlandfunk, dann sollen sie jetzt nicht lamentieren.
Hätte Gauck Bundespräsident werden können? Nicht mit der Linken, aber mit der FDP und der CDU. Hier komme ich zu dem Schluss, dass der schwarze Peter nicht bei der Linken ist, sondern zu Angela Merkel gehört, denn sie hat eigenmächtig Wulff als Kandidaten durchgedrückt und die Notwendigkeit eines dritten Wahlganges ist die Quittung ihrer eigenen Leute für ihr undemokratisches Vorgehen. Damit ist Merkel Schuld an Wulffs Zittersieg und legt, so DIE ZEIT, die Spannungen innerhalb der schwarz-gelben Koaltion offen.

Nachtrag:  Ein absolut lesenswerter Post zu diesen Gedanken findet sich bei Spiegelfechter: Perspektiven zur Perspektivlosigkeit, denn er zieht konsequent die Schlussfolgerung, die in meiner Reflexion noch fehlen und denkt die Problematik weiter.

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