Dienstag, 11. Oktober 2011

Männer und Farben

So eine Zugfahrt ist bekanntermaßen immer ein Erlebnis. Die aufregende Architektur an der Strecke, die man bei Fahrten mit der Regionalbahn in aller Schönheit genießen kann. Hinzu kommen die unterschiedlichsten Überraschungen der Deutschen Bahn. Doch auch die Fahrgäste können für Unterhaltung sorgen.
Idyllische Impressionen am Wegesrand

Heute, so glaube ich, habe ich einen Volltreffer gelandet. Bei der Platzwahl entscheide ich, so wie meist in meinem Leben, nicht in erster Linie strategisch, sondern eher spontan, so aus'm Bauch raus. Und heute landete ich mit zielsicherer Genauigkeit vermutlich im lautesten Abteil des ganzen Zuges. Hinter mir saß eine Horde Kleinkinder, irgendwo schrie ein Baby wie am Spieß und vor mir platzierten sich zwei Herren, deren Äußeres nichts Gutes verhieß. Also machen wir mal die Klischeekiste auf und freuen uns an unserer Oberflächlichkeit. Die beiden Herren trugen neben Ohrringen, auch eine Bierfahne vor sich her und waren zudem noch unrasiert. Außerdem umwölkte sie der zarte Duft kalten Zigaretterauches. Nachdem sie sich setzten, klapperte der eine schon auffällig mit Glasflaschen und öffnete ein Bier, so kurz nach'm Mittag gegen eins. Nunja, für einen Frühschoppen war es zwar jetzt schon zu spät, wenn wir ehrlich sind, aber warum nicht. Die beiden Herren tauschten fröhliche Sprüche aus, über die Kühe auf einer vorbeiziehenden Weide und diskutierten nun darüber, ob das denn nun die Glücklichen seien. Oder über eine Solaranlage, die der eine beherzt Solarium nannte und der andere darauf entgegnete, dass er sich da ja mal gerne runterlegen könne, um auf die Wirkung zu warten. 

Doch dann fragte der eine, mit der räudigen Mütze auf'm Kopf, welche Farbe denn das neue Shirt hätte. "Khaki" lautete die Antwort. Ich sah vor mir eine kleine Wolke mit dicken Fragezeichen über der Mütze aufsteigen. "Gagi?" Spätestens jetzt war es für mich eindeutig, dass die beiden Herren aus Sachsen stammten. "Nee, Khaki!" - ??? "Gagi" - "Naja, manchmal haben Farben eben komische Namen." versuchte der Andere zu beschwichtigen. "Mh, aber das Hemd, was du anhast, ist doch lila!", konterte der Mann mit der Mütze mit gewisser Überlegenheit in der Stimme. "Ne, das ist aubergine." Die Stimme des Mannes ohne Mütze klang ein wenig danach als würde er sich ob seines Expertenwissens tatsächlich schämen. Die Wolke mit den Fragezeichen über der Mütze wurde immer größer und ich glaube, sie leuchtete auch schon ein wenig, vielleicht in dezentem Warnrot. "Was? Ein Ober mit einer Schiene?" - "Ne, ne! Wie die Frucht, die aussieht, wie 'ne Gurke. Eine Aubergine!" - "So, so. Und oberschiene soll also eine Farbe sein..." - "Ich hab mir das doch nicht ausgedacht!" Es klang beinah wie eine Entschuldigung. Schade war nur, dass die Beiden genau jetzt aussteigen mussten. Dabei hätte ich doch so gern noch mehr über Trendfarben, wie mauve, sand oder cappucino gelernt.

Die Horde Kinder war nun auch schon raus, kein Baby brüllte mehr und plötzlich war es wieder ganz ruhig im Zug. So hatte ich wieder mehr Muse, um die zauberhafte Architektur der alten Bahnhöfe und die ausgesprochen kreativen Graffiti zu genießen.

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