Freitag, 20. Februar 2015

Vorurteile und die Glitzerfee in der Werkstatt

Ich kenne ja die meisten meiner Schüler eben nur so als quasi gewöhnliche Schüler. Nun ist natürlich keiner meiner Schüler gewöhnlich, aber sie sitzen nun eben einfach in meinem Unterricht rum und verhalten sich. Sie verhalten sich wie man es eben so von einem Schüler erwartet. 
Meine lieben Leser, ihr wisst schon, was ich meine. So Schüler halt... Es gibt da unterschiedliche Typen von Schülern. Der klassische Streber ist bei uns eher selten zu finden und sollte da doch mal einer dabei sein, dann ist das vermutlich eher ein Versehen und auf kurz oder lang passt er sich auch dem Niveau der anderen Schüler an. Also, der Streber, er sitzt ruhig auf seinem Platz hört zu, meldet sich und hat immer ganz tolle Antworten. Wenn sich einer dieser Strebertypen meldet, muss ich abwägen, ob ich ihn gleich dran nehme oder ihn noch etwas schmoren lasse. So einer kann nämlich die ganze Stimmung versauen, wenn er oder auch gerne mal eine Sie sofort auf Anhieb die Frage in absoluter Perfektion beantworten kann. 

Neben den ganzen uninteressierte Sabbeltaschen sitzt auch immer Eine, mit viel Farbe im Gesicht, zu viel Farbe und zu engen Klamotten. Sie hat auch hin und wieder ein bisschen Pech beim Denken und atmet den anderen Schülern auch schon mal die Luft weg. Und genau so eine hab ich in der ersten Reihe sitzen. Vermutlich holen meine lieben Leser jetzt eine Blondine mit langen Haaren, tollen Wimpern und gnadenlos gutem Modegeschmack aus der Klischeeschublade. Eben so ein Mädel, das zwar im Bereich der Intelligenz ein wenig unter beschränkter Haftung läuft, aber das mit einem wunderschönem Antlitz kompensieren kann. Aus diesem Grund macht man sich um so ein Mäuschen keine großen Sorgen, denn bei so einer Art von Mädchen glaubt man, dass sie sicher mal einen reichen Mann heiraten wird und dann einfach nicht mehr so viel denken muss. 

Anja ist zwar nicht blond und sie hat auch keine Traumfigur, aber wenn sie in der Pause mit ihren Keilabsätzen über den Gang stolziert, dann befürchte ich des öfteren, dass sie unter schlimmer gestörter Selbstwahrnehmung leidet. Sie zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Sehr, sehr viel Aufmerksamkeit und leider nicht im positiven Sinne. Ihr Make up ist zu dick, ihr Lidstrich sieht aus als wäre er mit einem schwarzen, wasserfesten Edding gezogen und ihr Kleidungsstil ist, ja diplomatisch gesagt, sehr individuell. Auch der Sportlehrer freut sich immer ganz, ganz, ganz besonders über ihre zu engen Leggins und kurzen Shirts.

Nun hab ich bei diesem Mädel eine Stippvisite in ihrem Praktikumsbetrieb gemacht. Als ich dieses Mädel besuchte und zwar in einer Autowerkstatt war ich nicht so ganz sicher, ob sie da gut aufgehoben sei. Doch dann war ich erst erstaunt, dann begeistert und zum Schluss hätte ich mir für meine beschissenen Vorurteile am liebste selbst ein paar in die Fresse gehauen. Sie berichtete mir davon, wie sehr sie von Motoren fasziniert sei und wie gern sie wissen wolle, wie so ein Ding funktioniert. Sie hatte absolut keine Angst davor sich ihre schön lackierten Fingernägel abzubrechen und sich die Finger dreckig zu machen. Außerdem habe sie einen Auspuff abgeschraubt, hier und da mit rumgeschraubt und auch eben sonst alles, was so in einer Autowerkstatt passiert. Ihre Augen funkelten als sie von ihrer Arbeit berichtet. Ihre Augen funkelten und zwar nicht nur des glitzernden Lidstriches wegen, sondern in erste Linie vor Freude und Begeisterung.

Ich verließ die Werkstatt und schämte mich.

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