Mittwoch, 11. September 2013

Share your identity

Mit diesem Slogan warb eine Firma auf der IFA. Gestern war ich nämlich mit meinen lieben Schülerleinchen in Berlin, um dieses unfassbare Wahnsinnsevent moderner Geldvernichtung zu bestaunen. Hier versteht man das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, denn hier gibt es alles, was man nicht braucht, aber trotzdem kaufen möchte, weil es einfach mal einen Style hat. Ist es an dieser Stelle eigentlich unangemessen, darauf hinzuweisen, dass in jeder Minute weltweit ein Kind verhungert? Ach, ich seh schon Herrn Drechsler den Kopf schütteln. Mit einem provokanten Grinsen im Gesicht würde er mir sagen: "Oje, oje... Frau Dingens will mal wieder die Welt retten!"
Aber zurück zum Slogen in der Überschrift. Ich hab zwar vergessen, was das für ein Laden war, aber mir war sofort klar, dass ich das nur sehr sehr ungern tun würde. Um ehrlich zu sein, hatte ich direkt nur eine Antwort und die lautete ohne zu zögern einfach nur "nö". Es schüttelte sich in mir kurz, aber heftig ein ganz großes Unbehagen, beinah fast schon ein kleiner fieser Würgereflex, denn ich präferiere vollständig das Gegenteil. Ich möchte meine Identität nicht teilen, ich will sie ganz allein für mich behalten. In diesem Fall werd ich schon mal ganz böse zum Egoschwein. Von mir aus können das Andere machen. Schließlich sind wir doch ein freies Land und da kann von mir aus seine Identität teilen, wer will. Von mir aus auch meine Schüler, die kann ich ja sowieso nicht davor bewahren. Manchmal möchte ich denen gerne ihre fäsbuck-postings ausdrucken und vor die Nase halten. Wozu muss man die neue Beziehung öffentlich posten? Was wollen die Beiden der Welt damit sagen. Wozu muss das Wochenend-Gelage mit mehreren Flaschen hochprozentigem Alkohol weltweit zur Schau gestellt werden? Warum muss nach dem Ende einer Beziehung öffentlich per fäsbuck Dreckwäsche gewaschen werden?
Doch nochmal zurück zum Teilen der Identität. Mal ehrlich, wer würde denn schon meine Identität mit mir teilen wollen? Wozu auch? Und was will eine andere Person mit der Hälfte, einem Drittel oder einem Achtel meiner Identität? Wie muss ich mir das dann vorstellen? Wird die Identität dann aufgeteilt wie ein Stück Kuchen? Mir wird wohl immer ein Rätsel bleiben, warum ich von einer mir leider unbekannt gebliebenen Firma dazu aufgefordert werde, meine Identität zu teilen. Vielleicht weil andere Personen über keine Identität verfügen? Oder weil jemand die eigene Identität blöd findet? Oder mal kurz feststellen möchte, dass meine Identität genauso langweilig und unspektakulär ist, wie jede andere auch?
Rätsel über Rätsel! Aber sollte nicht Jeder von uns hier eine eigene Identität haben? Und dazu noch eine großartige, unverwechselbare und einzigartige? Auf jeden Fall sollte man identity sharing nicht mit car sharing verwechseln, denn Autos kann man zumindest meiner Erfahrung nach wirklich teilen.

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